"Im Zusammenhang mit dem Anlaß dieser Anmerkung möchte ich allerdings zwei Aspekte wiederholend hervorheben: Ich hoffe, daß hiermit deutlich wurde, wiesehr das selbstverständliche Recht, frei sich zu bilden, einer Haltung entspringt, die ich gerne als Respekt vor dem Leben und dem Menschen umschreiben möchte.
Und aus dieser Haltung heraus wird klar, daß die Institution Schule nur ein Symptom ist, das durch Kritik und Reformversuch bloß aufgewertet würde: ein völlig kontraproduktives Ansinnen.
Zumal durch viele auch derzeitig verlaufende juristische Verfahren sich mir eine andere Frage stellt: Zwar funktioniert dieses System nach bestimmten Gesetzen und Normen, doch wenn es etwa darum geht herauszufinden, wer weshalb welche Gesetze und Normen anwendet und welche Urteile wie „begründet“, stellt sich heraus: weder in Schulbehörden noch in der Politik noch in der Justiz habe ich bisher jemanden getroffen, der aus seinem Gewissen heraus für die bestehenden Zu- oder Mißstände dieser Schulnormativität verantwortlich zeichnen würde; im Zweifelsfalle argumentieren sie mit der gesetzlichen Pflicht oder mit wackeligen und unhaltbaren prognostizistischen Aussagen, die nach „Lesen im Kaffeesatz“ erinnern und nur dadurch „Bestand“ haben, weil es bisher „alle so gemacht haben“…
Schlimmer allerdings: Bisher ist mir noch keine Richterin, noch kein Richter begegnet, die/der angesichts des offensichtlichen juristischen Widerspruchs bereit gewesen wäre, selbst initiativ zu werden, um etwa mit einem Normenkontrollverfahren das Bundesverfassungsgericht anzurufen…"
Bertrand Stern
Bertrand Stern "Nachdenkliches über die Bildungsrepublik" S. 166/167
"Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr´n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen."
Johann Wolfgang Goethe, Faust, der Tragödie Erster Teil