Das Menschenrecht frei sich zu bilden

"Im Zusammenhang mit dem Anlaß dieser Anmerkung möchte ich allerdings zwei Aspekte wiederholend hervorheben: Ich hoffe, daß hiermit deutlich wurde, wiesehr das selbstverständliche Recht, frei sich zu bilden, einer Haltung entspringt, die ich gerne als Respekt vor dem Leben und dem Menschen umschreiben möchte.

Und aus dieser Haltung heraus wird klar, daß die Institution Schule nur ein Symptom ist, das durch Kritik und Reformversuch bloß aufgewertet würde: ein völlig kontraproduktives Ansinnen.

Zumal durch viele auch derzeitig verlaufende juristische Verfahren sich mir eine andere Frage stellt: Zwar funktioniert dieses System nach bestimmten Gesetzen und Normen, doch wenn es etwa darum geht herauszufinden, wer weshalb welche Gesetze und Normen anwendet und welche Urteile wie „begründet“, stellt sich heraus: weder in Schulbehörden noch in der Politik noch in der Justiz habe ich bisher jemanden getroffen, der aus seinem Gewissen heraus für die bestehenden Zu- oder Mißstände dieser Schulnormativität verantwortlich zeichnen würde; im Zweifelsfalle argumentieren sie mit der gesetzlichen Pflicht oder mit wackeligen und unhaltbaren prognostizistischen Aussagen, die nach „Lesen im Kaffeesatz“ erinnern und nur dadurch „Bestand“ haben, weil es bisher „alle so gemacht haben“…

Schlimmer allerdings: Bisher ist mir noch keine Richterin, noch kein Richter begegnet, die/der angesichts des offensichtlichen juristischen Widerspruchs bereit gewesen wäre, selbst initiativ zu werden, um etwa mit einem Normenkontrollverfahren das Bundesverfassungsgericht anzurufen…"

Bertrand Stern

http://www.frei-sich-bilden.de/


  1. "Dieses "Recht auf freie Bildung" gewährleistet, daß jeder Mensch sich frei bilden kann: jederzeit, bedingungslos, wie auch immer,mit wem auch immer, weshalb und wofür auch immer; niemand kann und darf daran gehindert werden, freien Zugang zu allen Formen der Bildung zu haben. Ein jeder Mensch kann sich also als Geber, als Nehmer, als Tauscher von Wissen einbringen: welch ein menschliches Potential zeigt sich hier! Und jene Menschen, die sich hier als "Schenker" verhalten, können als "Dienstleistende" im edelsten Sinne des Wortes bezeichnet werden. Wie weit ist diese Subjekthaftigkeit entfernt von der empfundenen leisen, subtilen Gewalt, mit der viele Betroffene die Schule assoziieren!
  2. Das "Recht auf freie Bildung" gewährleistet verfassungsmäßig die erwünschte und erforderliche Chancengleichwertigkeit - nicht die Täuschung einer Chancengleichheit! Just diese Chancengleichwerigkeit ist ein Symbol des demokratisch verwirklichten Selbstverständnisses, das die Subjekthaftigkeit der sich bildenden Person postuliert: Dies hat mit Würdigung der Person zu tun.
  3. Durch das "Recht auf freie Bildung" - mit der Betonung auf "frei" - wird der Öffentlichen Hand jeder Eingriff in die Bildungsprozesse untersagt: zugleich hat sie als Garant der freien Bildung zu gewährleisten, daß Versuche einer Vereinnahmung der Bildung durch Personen, Gruppierungen, Organisationen, Parteien, Kirchen u.ä. unterbunden werden, wenn solche Versuche der Freiheit des sich bildenden Subjekts widersprechen.
  4. Die subsidiäre Aufgabe der Öffentlichen Hand besteht nur darin - und dies hat sie auch wahrzunehmen -, infrastrukturell alles Erforderliche zur Verfügung zu stellen: organisatorisch, technisch, räumlich, finanziell, gesetzgeberisch.

 Bertrand Stern "Nachdenkliches über die Bildungsrepublik" S. 166/167