Beispiele für Konstellationen

 

Hier einige Beispiele zu den Konstellationen, die uns zeigen wie stark dass menschliche Verhalten - und damit auch das was wir Charakter nennen - von dem Wirken dieser Konstellationen in Verbindung mit unseren Weltbildern abhängig ist.

 

Siegfried Mohr hat in der Zeitschrift "Wissenschafftplus-Magazin 2/2019 mehrere Konstellationen mit drei Konflikten beschrieben. 

Daraus stellen wir eine Auswahl vor.

 

 


Der Geizige

Großhirn-Konstellation in Depression und

zusätzlich ein Brocken-Konflikt (Stammhirn) "Brocken-nicht-zu-fassen-kriegen" bzw. "Brocken-festhalten-wollen"

 

von Siegfried Mohr

 

Molière konnte dem Zwangsverhalten des Geizigen genügend Stoff zu einer Komödie entnehmen, doch in der Realität hat man unter einem solchen Geizhals wenig zu lachen. Denn der mit einbezogene Konflikt, den Brocken-nicht-zu-fassen-zu-kriegen bzw. ihn festhalten zu wollen, ist wahnhaft verstärkt, so dass der Betreffende auf seinem Geld-Brocken sitzt und anderen nichts abgibt.

Doch ist das nicht ausschließliches „Privileg“ der Reichen. Rockefeller beispielsweise hatte schon als Lehrjunge wie auch als Multimillionär, jeweils 10% seines Einkommens getreulich an seine Baptistengemeinde abgeführt, wenn er auch als Geschäftsmann mit seiner Konkurrenz wenig zimperlich umging.

Vielmehr kann diese Konstellation bei jedermann eintreten, unabhängig davon, ob er reich ist oder nicht. Wenn es um Geld-Geiz geht, muss ein entsprechender Geldbrocken- Konflikt die Weichen gestellt haben.

Sollte es dabei jedoch in erster Linie um die Versorgungssituation der eigenen Familie gegangen sein, so dass die Befürchtung aufkam, dass nun die Familie nichts mehr zu beißen habe, kann auch ein Nahrungsbrocken-Geiz das Resultat sein. In abgemilderter Form, also ohne depressive Beteiligung, bringen diese Menschen dann von ihren wöchentlichen Lebensmittel-Einkäufen gefüllte Kofferräume voll nach Hause und bunkern sie in den Kellerregalen. Nicht wenige sind daher gegenüber Katastrophenankündigungen leicht zu sensibilisieren und horten Proviant für Jahre hinaus. Die vielfach der Kriegsgeneration nachgesagte fokussierte Aufmerksamkeit auf die eigene materielle Versorgung, unter Vernachlässigung seelischer Belange, dürfte mit ein Ergebnis aus den erlebten Notzeiten während und nach dem Krieg sein.

Übertriebene Sparsamkeit, Geiz und ein starkes Übergewicht des Versorgungsaspektes mit materiellen Gütern bilden in etwa den Rahmen dieses Typus, der, je intensiver die Konflikte hochgefahren sind, umso unzugänglicher für rationale Argumente ist.

Sie selber haben ebenfalls nichts zu lachen, denn in den Genuss ihres gehorteten Schatzes kommen sie allemal nicht, da sie zwanghaft befürchten, dass es im – jeden Moment eintreten könnenden – Notfall nicht ausreichen könnte, und somit sind sie Getriebene unter dem Befehl: „Genug ist nicht genug!“

 


Der eingebildete Kranke

Großhirn-Konstellation in Depression und

zusätzlich ein Konflikt der Unversehrtheit im Kleinhirn

 

von Siegfried Mohr

 

Auch diesen Konstellationstypus hat Molière auf die Bühne gestellt und ihn mit Humor erträglich gemacht.

Denn auch diese Hypochonder haben selbst nichts zu lachen und sind für andere meist lächerliche, aber anstrengende Zeitgenossen. Ob es ein vermeintlich körperliches Gebrechen oder die Depression selbst ist – sie glauben unbeirrbar, dass sie unheilbar krank sind und versetzen damit sich und ihre Umgebung in ständige Unruhe.

Zugrunde liegt neben der – für alle hier angeführten Varianten – depressiven Konstellation im Revierbereich/Großhirnrindenbereich ein Konflikt der Unversehrtheit im Kleinhirn. Es ging also eine tatsächliche und noch immer andauernde Attacke (Schiene) gegen seinen Leib voraus, die im Zusammentreffen mit einer bestehenden postmortal-depressiven Konstellation die Hypochondrie produziert.

Dadurch wird ein Über-Sinn hergestellt, der sich als Frühschutz gegenüber einer Attacke zu erkennen gibt. Das heißt, je früher der Betreffende ein „Alarmsymptom“ seines Körpers zu entdecken meint, desto eher glaubt er reagieren zu können, um die Unversehrtheit seines Körpers zu erhalten.

Die hohe Sensibilität gegen jegliche befremdliche oder wiederkehrende oder andauernde Körper-Empfindung beschleunigt und verschärft seine Körperwahrnehmung und Empfindlichkeit, die kaum noch eine anders gerichtete Aufmerksamkeit bei ihm zulässt. Somit wird er zum Gefangenen seiner Wahnidee und zugleich zu seinem eigenen Gefängniswärter, der ihn in sein Verließ einschließt.

 


Der "arme Sünder"

Großhirn-Konstellation in Depression und

zusätzlich ein Konflikt der im Marklagerbereich des Großhirns - Selbstwerteinbruch (Versagen)

 

von Siegfried Mohr

 

Wie stark dieser Typus von Schuldgefühlen geplagt wird, deren angegebener Anlass zumeist überbetont wird oder sogar ohne jegliche Grundlage „gewähnt“ wird, zeigt eine ältere Untersuchung aus den 60er-Jahren, wo nur bei 20% der Patienten Entsprechungen in ihrer Lebensgeschichte gefunden wurden. Erstaunlicherweise halten die Patienten mit starken Schuldgefühlen sich auch keineswegs für seelisch krank, sondern sie sind durchdrungen von der Gewissheit ihrer Schuld, die zu ihrem völligen Versagen, zu ihrem Ruin führen musste (Kielholz, 31).

Während in früheren Zeiten religiöse Schuldgefühle einen hohen Anteil ausmachten, treten in den letzten Jahrzehnten zunehmend profane Versäumnisse als Belastung auf, so dass der Sünder mehr zum Verbrecher geworden ist. Wie auch immer, er bleibt schuldbeladen in seiner Sicht. Schuld, Versagen gehören zum Konflikt-Inhalt der Selbstwerteinbrüche im Marklagerbereich des Großhirns, die wie in den vorigen Beschreibungen mit einer depressiven Revierbereichs-Konstellation zusammentönen und nun einen neuen Dreiklang erklingen lassen: den „armen Sünder“, den „Büßer“, den Reuigen, den gefühlten „Verbrecher“.

Darwin soll nach Rückkehr von seiner langjährigen Forschungsreise geäußert haben, er fühle sich, als ob er einen Mord begangen habe. Zumindest dieses Gefühl steht dem des depressiven Versündigungswahns ganz nahe. Literarisch dürfte Kafkas Roman >Der Prozess< mit dem dumpfen Schuldgefühl um ein als Beschuldigung erhobenes, jedoch unbekanntes Verbrechen dieser psychischen Verfassung nahe kommen. Nun sollten aber nicht gleich alle geschichtlichen Ereignisse über Büßertum, Geißler und klösterliche Riten des Sich-Kasteiens unter diesem Etikett verbucht werden, denn die Gleichung in dieser Richtung: Büßer etc. = Versündigungswahn kann stimmen, muss es aber nicht, während es in umgekehrter Richtung: Versündigungswahn = Büßer/Reue immer stimmt.

Was ist der biologische Sinn eines solchen Unsinns, eines derartigen Wahns? Der Betreffende glaubt einen Fehler begangen zu haben oder hat ihn tatsächlich (Selbstwerteinbruch) begangen, was mit einer hochwertigen depressiv-postmortalen Konstellation zusammen aus einer Mücke einen Elefanten machen kann und die ständige Schuld, sei diese im religiösen Kontext oder gegenüber Gesetz, Sitte, Pflicht etc. , festschreibt und unterhält. Daraus gibt es kein Entkommen! Warum nicht? Weil der Betreffende nur noch in seiner übergroßen Schuld einen (imaginären, weil wahnhaften) Selbst-Wert empfinden kann, da er immerhin noch einer Strafe wert ist, wenn er auch sonst nichts mehr wert ist! Wir wissen, dass z.B. der Über-Sinn eines doppelten Selbstwerteinbruchs auf den gegenüberliegenden Hirnhemisphären zur Megalomanie führt, die ja völlig verrückt ist, da der Betreffende gleich zweimal versagt hat. Genauso verrückt verhält sich die hier geschilderte „Arme Sünder“-Konstellation, indem sie den „Verbrecher“ bzw. „Sünder“ zur permanenten Überbetonung seines vermeintlichen oder tatsächlichen Vergehens, Versagens zwingt, um daraus einen „Rest“-Wert zu schöpfen. Doch das ist genauso wenig hilfreich wie die Mühsal des Sisyphos, den Felsbrocken auf den Berg zu wälzen, da er immer wieder hinunterrollt.


Der Verschwendungssüchtige

Manisch betonte Revier-Konstellation zusammen mit einem Brockenkonflikt im Sinne eines "Brocken-Loswerden-Wollens"

 

von Siegfried Mohr

 

Liegt eine manisch betonte Revier-Konstellation zusammen mit einem Brockenkonflikt im Sinne eines Brocken-Loswerden-Wollens vor, so kommt es zu dem zwanghaften (süchtigen) Verhalten, seine materiellen Brocken wie Geld, „Hab und Gut“ in einem Rausch der Hochgefühle zu verschleudern – und zumeist auch noch die „Brocken“ der anderen dazu. Die fragwürdigen „Projekte“ sind nichts anderes als Luftschlösser, und der manisch forcierte Lebensstil jagt in „Saus und Braus“ das Geld, „Haus und Hof“ zum Fenster hinaus. Das Tempo ist übersteuert und der Schulden-Brocken rast in schwindelerregende Höhen hinauf.

Hier ist nicht die Glücksspieler-Mentalität gemeint, die leichtsinnigerweise ein Vermögen riskiert, sondern ein irrsinniges Geschehen ohne reale Aussicht auf Gewinn. Denn der biologische Übersinn liegt ja gerade darin, den Brocken loszuwerden, was eine wahnhaft verzerrte Sicht der Dinge in direkter Weise begünstigt.

Rationale Argumente können hierbei wie in allen wahnhaften Konstellationen nichts ausrichten und werden von den verblüffendsten Hirngespinsten, die mit vollmundigen Märchenphantasien verkündet werden, mit brillanter Eleganz ausgehebelt. Zu denken, dass das Ende eines Bankguthabens auch das Ende der Verschwendungssucht bedeute, ist unrealistisch, da „Hans im Glück“srausch es versteht, auch andere mit seiner Überzeugungskraft und Überredungsgabe (evtl. auch durch Mitleid mit seinem „fast fertigen Projekt“) in die eigene Brocken-Weggabe (= Ruin) hineinzulocken.