Der Mensch kann sich, aufgrund seiner typisch menschlichen Fähigkeiten eine imaginierte Wirklichkeit aufbauen. Der moderne Mensch lebt in einer von dem Lebendigen abgetrennten „Wirklichkeit“, d.h. in seiner sich selbst geschaffenen Imagination.
Wenn sich der Mensch nicht mehr verbunden mit dem Leben empfindet, d.h. sich als abgetrennt von der Natur wahrnimmt, die Natur als außerhalb, als das nur ihn umgebende, als Um-Welt betrachtet (imaginiert) – dann erfährt er sich, sein Wesen, als „Mängel-Wesen“. Dieses Abgetrennt-Sein ist der „Mangel“. Es fehlt ihm die Wahrnehmung der ihm eigenen Lebenskraft, es fehlt ihm der Zugang zu seiner eigenen Energie, die ihm freies Handeln ermöglicht. Dieser Zustand entsteht durch die Aneignung fremder Lebensenergie.
In diesem Empfindungs-Stadium ist er wie ein ständig von "Hunger" gequältes Wesen, und sucht diesen "Hunger" im Außen zu stillen. Jetzt muss er sich alle Energie von außen holen, d.h. er muss sie produzieren. Diese im Außerhalb und auf Ausbeutung anderer Existenzen produzierte Energie lässt ihn nun in der Illusion leben, er hätte hiermit Zugang zur ur-natürlichen Lebenskraft. Da jedoch diese Energie ihn nie gänzlich zufrieden ( = satt) macht, sucht er ständig nach weiteren immer effizienteren Energiequellen im Außen. Dadurch kommt es zwangsläufig zur Entwicklung hochkomplexen Technologien und einer immer stärkeren Ausbeutung aller natürlichen Existenzgrundlagen.
Mit seinem "Hunger" und seinem Bedürfnis ihn im Außen zu stillen, zerstört er die Grundlagen seiner Existenz. Und je mehr er zerstört, umso mehr treibt ihn die Angst an. Die Angst, nicht mehr die für ihn so lebenswichtige Energie produzieren zu können. Je größer diese Angst umso mehr zerstört er. Und damit befindet er sich in einer nie endenden Angst-Spirale.
Die einzige Möglichkeit dieser Angstspirale zu entkommen, wäre der Weg sich wieder als das zu begreifen, das er wirklich ist, nämlich ein Wesen eingebunden in den lebendigen Organismus Erde-Kosmos-Mensch. Das heißt seine inneren Bilder (Imagination) dem natürlich Organismischen wieder anzugleichen. Er würde sich wieder genährt und erfüllt durch seine Lebenskraft fühlen und die Leichtigkeit seiner Lebendigkeit erfahren und sie in unzähligen Möglichkeiten entfalten >>>>>>>>
Wirklichkeitssinn
Sich wieder einfinden in den lebendigen Organismus kann durch die natürliche Fähigkeit der Mimesis gelingen. Das Lebendige der Wirklichkeit ist immer und überall spürbar und erkennbar. Der Mensch kann aufgrund seiner Entscheidungsfähigkeit Prioritäten in seinem Leben setzen, wem und was er sich anverwandeln will. Auch in einer maschinisierten inzwischen digitalisierten Gesellschaft ist das Lebendige vorhanden (sonst wäre bereits alles tot). Das bedeutet, der Mensch muss nichts Neues machen – es ist in ihm und in dem Lebendigen immer vorhanden, es genügt sich dem „anzuverwandeln“ und daraus den Wirklichkeitssinn zu entwickeln.
"Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr´n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen."
Johann Wolfgang Goethe, Faust, der Tragödie Erster Teil